Geschichte

Frauen der Reformation


Kezia Deichsel
Massagetherapeutin, Bibel- und Gesundheitsarbeiterin, Übersetzerin

Frauen der Reformation – wer denkt da nicht sofort an Katharina von Bora, die „Lutherin“? Als entlaufene Nonne heiratete sie Martin Luther, den abtrünnigen Mönch – ganz zum Entsetzen vieler Freunde und Feinde. Trotz anfänglichen Spotts und Widerstands versorgte die energische Katharina den großen Reformatorenhaushalt, der immer für Gäste und Hilfsbedürftige offenstand, und gibt uns ein ganz praktisches Beispiel der tugendhaften Frau aus Sprüche 31.

Doch wer verbindet mit der Reformation Namen wie Anne Askew, Jeanne D’Albrecht oder Lysken Dirks? Wir wollen den Staub von einigen weniger bekannten Schicksalen fegen und das Leben von vier Frauen aus der Reformationszeit betrachten, die verschiedener nicht sein könnten – eine Gräfin und eine Hausfrau, eine Märtyrerin und eine Frau auf der Flucht. Ihre Lebensberichte beweisen: Wohin uns der Weg der Vorsehung auch führt, Gottes Güte ist jeden Morgen neu und gibt Kraft und Weisheit für jede Herausforderung.

„Fürstenblut für Ochsenblut“

Gräfin Katharina von Schwarzburg

Katharina, auch die Heldenmütige genannt, wurde 1509 als dritte Tochter der Familie von Henneberg-Schleusingen geboren. Mit nur fünfzehn Jahren wurde sie mit dem zehn Jahre älteren Grafen Heinrich XXXII. von Schwarzburg verheiratet. Heinrich war ein Anhänger der Lehren Luthers und führte die Grundsätze des Protestantismus in seinem Herrschaftsgebiet ein. Trotz ihrer sorgfältigen katholischen Erziehung schloss sich Katharina schon bald seinen Überzeugungen an. Sie führten ein glückliches Familienleben, doch nach nur 12 Jahren Ehe verstarb Heinrich mit 37 Jahren und ließ seine Frau mit sechs Kindern zurück. Katharina erhielt Rudolstadt und Blankenburg mit dem Schloss Heidecksburg als Witwensitz zugesprochen. Statt sich jedoch als Witwe zurückzuziehen, setzte sie sich aktiv für die Rechte und das Wohlergehen ihrer Untertanen ein, verbesserte das Bildungssystem und stellte protestantische Lehrer und Prediger ein. Während der Zeit des Augsburger Interims (1548 – 1552) gewährte sie vielen evangelischen Flüchtlingen Zuflucht, darunter dem Saalfelder Pfarrer Kaspar Aquila, auf den ein hohes Kopfgeld ausgesetzt worden war.

Ihren Beinamen „die Heldenmütige“ verdankte sie wohl dem gemeinsamen Frühstück mit dem Herzog von Alba am 26. Juni 1547 auf ihrem Schloss zu Rudolstadt. Als bekannt wurde, dass der Herzog mit seinen spanischen Truppen durch ihr Reichsgebiet ziehen müsse, forderte sie vom Kaiser einen Schutzbrief an, damit ihre Untertanen von der durchziehenden Armee nichts zu befürchten hätten, und versprach als Gegenleistung, die Soldaten mit günstigen Lebensmitteln zu versorgen. Inzwischen ließ sie vorsorglich die Brücke über den Saale-Fluss in direkter Stadtnähe schnellstens abbrechen und weit entfernt neu aufbauen, damit die Soldaten nicht etwa auf den Gedanken kämen, die Stadt zu plündern. Außerdem durften die Einwohner betroffener Ortschaften ihre Wertgegenstände sicher bei ihr im Schloss unterbringen.

Herzog Alba lud sich und sein Gefolge dreist zum Frühstück ein.

Alba reiste in Begleitung des Herzogs von Braunschweig und dessen Söhnen an und lud sich und sein Gefolge dreist zum Frühstück bei der Gräfin ein. Eine Ablehnung dieser Forderung hätte schwere Folgen nach sich gezogen, also hieß Katharina den Herzog und seine Begleiter in ihrem Schloss willkommen, erinnerte ihn jedoch an den Schutzbrief des Kaisers.

Sie muss ein vorzügliches Frühstück aufgetischt haben, denn der Herzog lobte beeindruckt die gute Küche der thüringischen Damen. Kaum hatten sie sich gesetzt, als ein Eilbote die Gräfin aus dem Saal rief und ihr meldete, Albas Soldaten hätten einigen ihrer Bauern das Vieh weggetrieben. Katharina war entrüstet. Sie befahl ihrer Dienerschaft, sich eiligst zu bewaffnen und die Schlosstore zu verriegeln. Zurück im Saal beschwerte sie sich bei ihren Gästen über das gebrochene Kaiserwort, doch lachend erwiderte man ihr, solche unbedeutenden Vorfälle seien Kriegsbrauch und ließen sich nicht vermeiden. „Das wollen wir doch sehen“, erwiderte sie aufgebracht und forderte die Rückgabe des gestohlenen Viehs: „Meinen armen Untertanen muss das Ihrige wieder werden, oder, bei Gott“ – und nun erhob sie drohend die Stimme – „Fürstenblut für Ochsenblut!“

Die Reaktion wartete sie gar nicht erst ab, sondern verließ augenblicklich den Raum, der sich sogleich mit bewaffneten Dienern füllte, die sich mit dem Schwert in der Hand hinter die Stühle der Gäste pflanzten, um sie dann höflichst mit dem Frühstück zu bedienen. Erstaunt und betreten sahen sich die Gäste gegenseitig an. Der Herzog von Alba war ganz blass geworden und wusste sich keinen Ausweg aus dieser misslichen Lage. Heinrich von Braunschweig wurde plötzlich die Komik der ganzen Situation bewusst, und er brach in lautes Gelächter aus. Als er sich wieder gefasst hatte, hielt er der Gräfin eine Lobrede über ihre „landesmütterliche Sorgfalt und entschlossenen Mut“ und überredete Alba, das gestohlene Vieh den Eigentümern zurückbringen zu lassen. Sobald dies geschehen war, entließ Katharina ihre Gäste, die sich aufs Höflichste bei ihr verabschiedeten.

Spr 31,17 SCH Sie gürtet ihre Lenden mit Kraft und stärkt ihre Arme …
25 Kraft und Würde sind ihr Gewand und sie lacht angesichts des kommenden Tages.
26 Ihren Mund öffnet sie mit Weisheit …

„Euer Diener im Herrn“

Wibrandis Rosenblatt

Einen tiefen Eindruck hinterlässt das bewegte Leben von Wibrandis Rosenblatt, obwohl sie als Haus- und Ehefrau scheinbar nur im Hintergrund gewirkt hat. Sie war die Tochter von Magdalena Straub und Hans Rosenblatt und wurde 1504 geboren. Ihr seltener Name bedeutet „Kampfschwert“. Als solches muss Gott sie auch betrachtet haben, sonst hätte Er sie wohl nicht gleich drei bedeutenden Reformatoren als Ehefrau mitten im heißen Gefecht der Reformation zur Seite gestellt.

Über ihre Kindheit und Jugend ist wenig bekannt. 1524 heiratete sie Ludwig Keller, einen Magister der freien Künste, ein Jahr später wurden sie Eltern einer kleinen Tochter, die ebenfalls Wibrandis hieß. Doch das Familienglück sollte nicht lange währen, denn schon im Jahr darauf starb Ludwig. Wibrandis kehrte mit ihrer Tochter zunächst in ihr Elternhaus zurück. Bald darauf begegnete sie dem gut zwanzig Jahre älteren Johannes Oekolampad. Von seinem Freund Martin Bucer zur Eheschließung angehalten, heiratete er Wibrandis 1528. Gemeinsam hatten sie drei Kinder: Eusebius, Irene und Aletheia.

„Meine Frau ist, was ich mir immer wünschte.“

Die Heirat mit einem Reformator bedeutete, sich offen und uneingeschränkt zum reformatorischen Glauben und den daraus resultierenden Aufgaben zu bekennen, komme, was da wolle. Dass der alte Pfarrer diese junge Frau heiraten sollte, gab Anlass zu viel Spott, doch Oekolampad wusste, was er an seiner Gefährtin hatte. Ein Jahr nach der Hochzeit schrieb er:

Meine Frau ist, was ich mir immer wünschte. Sie ist weder streitsüchtig noch geschwätzig und treibt sich nicht herum, sondern kümmert sich um den Haushalt.

Der Haushalt eines Reformators zeichnete sich durch regen Besucherbetrieb aus, und Wibrandis hatte alle Hände voll zu tun, um Gästen, Flüchtlingen, Bedürftigen, Studenten und Familienmitgliedern gerecht zu werden. Doch auch die Ehe mit Johannes sollte nur von kurzer Dauer sein. Drei Jahre nach der Hochzeit starb Oekolampad, und Wibrandis war erneut allein.

Martin Bucer, mit dessen Frau Elisabeth Wibrandis befreundet war, empfahl die junge Witwe dem kürzlich selbst verwitweten Reformator Wolfgang Capito. Er beschrieb sie als von so „sanfter, bescheidener und zum Dienen geeigneter Veranlagung, dass ich sicher weiß, dass sie so diensteifrig wie möglich sein wird.“

Capito, der schon als Reformator viel zu tun hatte und dazu noch recht unpraktisch veranlagt war, suchte für sich und seine sechs Kinder händeringend nach einer Frau. Und so kam es, dass der über fünfzig Jahre alte Straßburger Pfarrer die gut 25 Jahre jüngere Wibrandis im April 1532 heiratete. Neun Kinder hatte sie nun zu versorgen, fünf sollten in dieser Ehe noch dazukommen. Die neuen Lebensumstände waren nicht einfach: Capito befand sich in finanziellen Schwierigkeiten, und Wibrandis musste sparsam haushalten, um Familie, Gäste und Hilfesuchende versorgen zu können. Hinzu kam Capitos Neigung zu Depressionen. Als die Pest 1541 in Straßburg wütete, fielen ihr nicht nur drei Kinder von Wibrandis, sondern auch Capito selbst zum Opfer. Zum dritten Mal war sie Witwe geworden.

Zur gleichen Zeit war auch ihre Freundin Elisabeth Silbereisen, Martin Bucers Ehefrau, an der Pest erkrankt und lag im Sterben. Sie ließ Wibrandis rufen und bat sie und ihren Mann, nach ihrem Tod um der Kinder willen einander zu heiraten. Nur einen Tag nach Capitos Tod verstarb sie. Ihrem Versprechen treu heirateten Martin und Wibrandis 1542; gemeinsam sollten sie noch zwei Kinder bekommen. Wibrandis betreute den großen Pfarrhaushalt Bucers, der selbst oft auf Reisen war. Bucer fand seine Frau in jeder Hinsicht perfekt, nur weise sie ihn nicht so oft zurecht, wie Elisabeth es getan habe.

Viermal verheiratet und Mutter von 11 eigenen und 7 angenommenen Kindern.

Viermal verheiratet, davon dreimal an der Seite eines Reformators, außerdem Mutter von elf eigenen und sieben angenommenen Kindern, von denen eins behindert war – Wibrandis war offensichtlich ein erfülltes Leben des Dienstes zugedacht. Doch Gott hatte noch andere Pläne.

1548 wurde Bucer von Kaiser Karl V. zugunsten eines Friedensschlusses aus Straßburg verbannt und begab sich nach England, um in Cambridge eine Stelle als Theologieprofessor anzunehmen. Fern von Heimat und Familie litt er an gesundheitlichen Problemen, so dass Wibrandis schließlich die ganze Familie nach England übersiedeln wollte, um für ihn sorgen zu können. 1549 organisierte sie den Umzug und wanderte nach England aus. Ein fremdes Land, eine neue Sprache, die erlernt werden wollte – als Auswanderin stand sie vor vielen Herausforderungen. Zeit, um wirklich heimisch zu werden, hatte sie jedoch nicht: Nach nur zwei Jahren erkrankte Bucer schwer und starb im März 1551.

Zum vierten Mal Witwe geworden, entschloss sich Wibrandis, nach Straßburg zurückzukehren, um bei der Familie ihrer Tochter Aletheia zu wohnen. Schon im April trat sie die Rückreise an; die letzten Sachverhalte bezüglich Bucers Tod regelte sie unterwegs in einem Brief an die Testamentsvollstrecker, den sie mit „Wibrand Bucerin, euer Diener im Herrn“ unterschrieb. Als 1553 auch ihr Schwiegersohn starb, kehrte sie mit ihren zwei unverheirateten Töchtern zurück in ihre Heimatstadt Basel, wo sie bis zu ihrem Tod durch die Pest im Jahr 1564 blieb. Sie wurde im Grab ihres zweiten Ehemanns Oekolampad im Basler Münster beigesetzt.

„Euer Diener im Herrn“ – wie treffend beschreiben diese Worte ihr Leben! Wibrandis’ hingebungsvolle Dienstbereitschaft trifft tiefer als so manche Predigt.

Off 14,13 … Ja, spricht der Geist, sie sollen ruhen von ihren Mühen; ihre Werke aber folgen ihnen nach.

„Der glücklichste Tag“

Helen Stark

Im Jahr 1543 saß James Hamilton, 2. Graf von Arran, auf dem Thron von Schottland. Geschwächt durch Krankheit und von dem skrupellosen Kardinal Beaton stark unter Druck gesetzt, hatte der ehemalige Anhänger reformatorischer Lehren seinen Glauben aufgegeben. Schon bald hatte der Kardinal ihn ganz in seiner Hand und ließ die Protestanten gründlich verfolgen. Er begann sein grausames Werk in Perth, der Heimatstadt von James und Helen Ranoldson, geborene Stark.

Noch am selben Tag ließ der Kardinal fünf Protestanten verhaften.

Helen und James standen sich in ihrer Ehe sehr nahe und hatten mehrere Kinder. Der Kardinal hatte offenbar nicht viel Zeit für Ketzer, denn als er am 25. Januar 1544 in Perth eintraf, ließ er noch am selben Tag fünf protestantische Gläubige verhaften, darunter Helen und ihr Mann. Am nächsten Morgen fand eine Art Verhör statt, in dem die fünf Gefangenen beschuldigt wurden, an verbotenen Bibeltreffen teilgenommen zu haben.

Weiter wurde James Ranoldson angeklagt, gemeinsam mit zwei anderen Gefangenen die Statue des heiligen Franziskus entehrt zu haben: Sie hätten das Heiligenbild an einem Strick aufgehängt, ihm zwei Widderhörner auf den Kopf genagelt und einen Kuhschwanz angehängt. Außerdem habe er zu Allerheiligen eine Gans gegessen, einen Mönch bei seiner Predigt unterbrochen und dessen Behauptung, es sei heilsnotwendig, zu den Heiligen zu beten, als unbiblische Irrlehre bezeichnet.

Helen wurde angeklagt, weil sie während der Geburt ihrer Kinder nicht die Jungfrau Maria um Hilfe angerufen hatte und nur durch Christus zu Gott beten wollte. Außerdem hatte sie behauptet, auch sie hätte von Gott als Mutter Christi ausgewählt werden können, hätte sie zur damaligen Zeit gelebt, womit sie ausdrücken wollte, dass Maria ein gewöhnlicher Mensch gewesen war und Gott die Person nicht ansieht. Der Kardinal war entsetzt. Derartig ketzerische Verbrechen würde er nicht ungestraft lassen. Die Gefangenen sollten noch am selben Tag sterben – die Männer am Galgen und Helen im nächstgelegenen Teich.

Die Schaulustigen und Umstehenden aus der Stadt wollten dieses Urteil nicht so stehenlassen und legten beim Statthalter Fürsprache für die Gefangenen ein. Der hatte selbst Mitleid mit ihnen, ließ aus Furcht vor dem Kardinal und seiner Skrupellosigkeit die Hinrichtung jedoch tatenlos durchführen.

Den Männern wurden die Hände gebunden, und sie wurden zum Hinrichtungsort geführt. Helen fühlte sich ihrem Mann so verbunden, dass sie ihre Richter um einen letzten Wunsch bat: Sie wollte gemeinsam mit ihrem Mann am Galgen sterben. Ihre Bitte wurde abgelehnt, doch durfte sie ihn zum Galgen begleiten und sprach ihm Mut und Trost zu. Am Hinrichtungsort angekommen, gab sie ihm einen letzten Kuss und sagte:

Freue dich, mein Mann. Viele glückliche Tage haben wir gemeinsam verlebt, doch unser Todestag heute soll der glücklichste Tag sein, an dem wir ewige Freude haben. So will ich dir auch keine gute Nacht wünschen, denn wir werden uns glücklich im Himmelreich wiedersehen.

Nach seiner Hinrichtung wurde sie zum Teich geführt, um dort ertränkt zu werden. Am Weg lag ein Franziskanerkloster, und als die Prozession dort vorbeikam, sagte Helen:

Heute sitzen unsere Richter, die uns in den Tod schicken, noch friedlich an ihrem Ort, doch die Zeugen unserer Hinrichtung werden erleben, wie Gottes Gnade ihr Nest in Kürze erschüttern wird.

Ihre Worte bewahrheiteten sich 15 Jahre später, als dieses Kloster mit drei weiteren Klöstern während eines Aufruhrs im Jahr 1559 völlig zerstört wurde.

Ihre Worte bewahrheiteten sich 15 Jahre später.

Am Teich angekommen, nahm sie Abschied von ihren Kindern. Das jüngste, noch ein Kleinkind, wollte sie nicht gehen lassen und klammerte sich an sie. Sanft löste sie seine Hände und übergab es Freunden, die weiter für es sorgen würden. Ein letzter liebevoller Blick, dann wandte sie sich ab. Hände und Füße wurden ihr gebunden, ein Sack übergezogen, dann wurde sie ins Wasser gesenkt und ertränkt.

Heb 11,35 Frauen erhielten ihre Toten durch Auferstehung wieder, andere aber ließen sich martern und nahmen die Befreiung nicht an, um eine bessere Auferstehung zu erlangen …
38 sie, deren die Welt nicht wert war …

„Alle Seine Wohltaten“

Herzogin Katharina Willoughby

Im Jahr 1514 wurde Katharina Willoughby geboren, Tochter von Lord William Willoughby von Eresby und Maria de Salinas. Ihr Vater starb, als sie noch recht jung war, und da sie keine Geschwister (mehr) hatte, galt sie als einzige Erbin. Sie wurde der Vormundschaft des Herzogs von Suffolk anvertraut, der bis an sein Lebensende zu den besten Freunden des Königs Heinrich VIII. zählte. Es wurde ihm nachgesagt, seine militärischen Fähigkeiten könnten sich mit denen von Heinrich selbst messen. Doch der Herzog ließ sich durch diesen Ruhm nicht blenden. Er war ein Anhänger der protestantischen Lehren und überaus ehrlich in seinem Verhalten. Als 1534 seine Frau starb, heiratete er im Jahr darauf Katharina. Trotz des großen Altersunterschieds (der Herzog war bereits Ende 40) führten sie eine glückliche und harmonische Ehe, aus der zwei Söhne, Henry und Charles, hervorgingen. Im August 1545 starb der Herzog von Suffolk. König Heinrich sagte über ihn, er habe in all den Jahren ihrer Freundschaft nie versucht, einem Gegner zu schaden, noch ein Wort geflüstert, das sich nachteilig auf irgendjemanden hätte auswirken können.

Katharina selbst hatte ein aufgewecktes und lebhaftes Gemüt und legte bisweilen einen kecken Sarkasmus an den Tag. Zu einer bestimmten Gelegenheit hatte ihr Mann Gäste eingeladen, darunter Stephan Gardiner, Bischof von Winchester. Er bat die anwesenden Damen, sich von dem Mann zu Tisch führen zu lassen, der ihnen am liebsten sei. Katharina wollte von ihrem Mann zu Tisch geführt werden. Als dieser ablehnte, wählte sie Gardiner und erklärte spaßig, da der Mann, der ihr am liebsten war, sie nicht zu Tisch führen wolle, habe sie sich den Mann ausgesucht, der ihr am unliebsten war. Gardiner war zutiefst beleidigt. Er war ein hinterlistiger Mann, der nicht wenig an der Verfolgung der Reformatoren beteiligt war. Seine Zeitgenossen beschrieben ihn als listigen Fuchs, dessen Worte rückwärts zu verstehen seien, da er nie sagen würde, was er dachte, geschweige denn denken, was er sagte.

Nach dem Tod von Heinrich VIII. bestieg Eduard VI. den Thron. Unter seiner Herrschaft blühte die protestantische Reformation in England auf. Unter anderem ließ er die Bischöfe, die der Reformation feindlich gesinnt waren, ihres Amtes entheben und inhaftieren, darunter Gardiner. Als Katharina eines Tages an dem Turm, in dem er seine Zelle hatte, vorbeikam, grüßte er sie freundlich durch das offene Fenster und zog seinen Hut. Er machte einen so friedlichen Eindruck, als könne er keiner Fliege etwas zuleide tun. Doch Katharina durchschaute seine Höflichkeit, wusste sie doch, dass seine Hände vom Blut der Protestanten befleckt waren und er sie zutiefst hasste. Sie erwiderte seinen Gruß mit der Bemerkung, dass es den Lämmern gut gehe, jetzt, wo der Wolf eingesperrt sei. Gardiner muss sehr verärgert über diese Worte gewesen sein.

„Den Lämmern geht es gut, jetzt, wo der Wolf eingesperrt ist.“

Inzwischen war Martin Bucer nach England gekommen, um an der Universität in Cambridge Theologie zu unterrichten. Katharinas Söhne studierten dort und waren gut mit ihm bekannt. Auch Katharina selbst verbrachte viel Zeit in Cambridge. Als Bucer schließlich schwer erkrankte, stand sie ihm und seiner Familie bei und kümmerte sich aufopfernd um die Bedürfnisse des Kranken.

Nur wenige Monate nach Bucers Tod befanden sich ihre beiden Söhne Henry und Charles zu Besuch bei der befreundeten Familie Bugden. Bei der Abendmahlzeit fragte Henry seine Gastgeber, wo er und sein Bruder am nächsten Tag essen sollten. „Entweder hier oder bei Freunden“, lautete die Antwort. Er erwiderte: „Keineswegs. Wir werden keine Mahlzeit mehr gemeinsam essen.“ Besorgt sahen ihn seine Gastgeber an, doch er lächelte und meinte, sie sollten sich keine Sorgen machen.

Katharina verspürte an diesem Abend eine ungewöhnliche Sorge für ihre Söhne und begab sich noch zu später Zeit zu den Bugdens. Kaum war sie angekommen, erkrankte Henry am Englischen Schweiß und starb innerhalb von fünf Stunden. Um eine Ansteckung zu vermeiden, war sein Bruder Charles in einem anderen Zimmer untergebracht worden, doch es war bereits zu spät, auch er erkrankte. Der Tod seines Bruders wurde ihm nicht mitgeteilt, doch als der Arzt ihn fragte, warum er so nachdenklich aussehe, erwiderte er: „Ich denke darüber nach, wie schwer es ist, seinen besten Freund zu verlieren.“ Der Arzt fragte ihn, warum er denn solche Gedanken hege, und er erwiderte: „Warum fragen Sie mich danach? Mein Bruder ist tot, doch das ist nicht schlimm, ich werde ihm bald folgen.“ Er starb nur eine halbe Stunde nach seinem Bruder.

Für Katharina muss das ein verheerender Verlust gewesen sein. Aber sie ertrug ihn mit einer inneren Kraft, die nur aus dem festen Vertrauen auf Gottes Vorsehung erwachsen konnte. An einen Freund schrieb sie:

Ich danke Gott für alle Seine Wohltaten, mit denen Er mich beschenkt hat. Wahrhaftig, diese letzte, zuerst so schmerzlich und bitter scheinende Strafe ist nicht die kleinste Seiner Wohltaten, hat sie mir doch wie nichts anderes Seine Macht, Liebe und Barmherzigkeit vor Augen geführt und meinen sündigen, elenden Zustand, in dem ich mich getrennt von Ihm befinden würde.

Königin Maria I. war eine überzeugte Anhängerin des Papsttums.

Einige Zeit verging, und ein neuer Regierungswechsel stand an: Königin Maria I. bestieg den Thron Englands. Um diese Zeit heiratete Katharina ihren zweiten Ehemann Richard Bertie, der ebenfalls Protestant war. Die Königin war eine überzeugte Anhängerin des Papsttums und setzte die Messe sowie andere päpstliche Bräuche wieder ein. Auch Gardiner kam auf freien Fuß. Katharina war sich bewusst, dass ihr Leben nun in Gefahr schwebte, doch war sie fest entschlossen, der Wahrheit treu zu bleiben, koste es, was es wolle. Nun begann erst das eigentliche Abenteuer ihres Lebens, das spannender als so mancher Roman ist.

Gardiner hatte bereits Pläne geschmiedet, wie er sich an Katharina rächen würde. Im Frühjahr 1554 klagte er ihren Mann Richard Bertie fälschlich an und versuchte im Laufe des Gesprächs, Informationen über Katharina zu erfahren, die er gegen sie verwenden könnte. Bertie konnte ihm jedoch seine Unschuld beweisen und seine Frau schützen. Gardiner fragte ihn, ob seine Frau wohl zu überzeugen sei, ihrem Glauben abzusagen, woraufhin Bertie erwiderte, mit der Wahrheit sei sie bestimmt zu überzeugen.

Bertie erkannte aus diesem Gespräch, dass Gardiner finstere Pläne gegen seine Frau schmiedete, und machte sich Gedanken, wie er dieses Vorhaben durchkreuzen könnte. Katharina und er beschlossen, aus England zu fliehen. Um keinen Verdacht zu wecken, entwarf Bertie einen klugen Plan: Er sicherte sich Gardiners Zustimmung und die Erlaubnis der Queen, in geschäftlichen Angelegenheiten so oft wie nötig auf das europäische Festland zu reisen. Nur wenige Tage später reiste er aus England ab. Seine Frau sollte mit ihrer gemeinsamen Tochter in Begleitung von sieben Dienern nachkommen.

Die Diener selbst wurden erst am Abend der Flucht über den Plan informiert. Alle kleideten sich in einfacher, unauffälliger Kleidung und verließen in der Nacht das Haus. Doch einer der zurückgebliebenen Knechte hörte ein Geräusch und wollte nach dem Rechten sehen. Schnell schickte Katharina sechs ihrer Bediensteten voraus zum Kai, wo sie sich treffen wollten, um von dort mit dem Boot weiterzureisen. Sie selbst verschwand mit einer Dienerin und ihrer Tochter in einem Nebengebäude, um nicht entdeckt zu werden. Als alles wieder ruhig war, setzten sie ihren Weg fort, doch in der Aufregung hatte sie die Tasche mit Babykleidung für ihre kleine Tochter vergessen. Außerdem hatte keiner daran gedacht, den Weg zum Kai in Erfahrung zu bringen. Die vorausgegangenen Diener hatten sich auf der Suche nach dem Weg aufgeteilt, und auch Katharina kannte den Weg nicht. Dennoch kamen sie wie durch ein Wunder alle etwa zur gleichen Zeit dort an, wo ein guter Freund, Cranwell, auf sie wartete. Er sollte sie begleiten. Die Nacht war so neblig, dass der Bootsführer erst gar nicht ablegen wollte, doch schließlich ließ er sich überzeugen, und die Reise begann.

Die Nachricht von ihrer Flucht verbreitete sich in Windeseile. Als das Boot in Leigh anlegen sollte, warteten bereits Gardiners Männer auf sie. Da fiel Cranwell plötzlich ein, dass er einen alten Freund in der Stadt hatte, und erklärte, die Dame in seiner Begleitung sei dessen Tochter, die ihn besuchen wolle. Der Plan ging auf, und Katharina wurde nicht entdeckt. Sie verbrachten einige Tage bei Cranwells Freund, und Katharina nähte fleißig neue Babykleidung. Schließlich konnten sie sich an Bord des Schiffes begeben, das sie in die Niederlande übersetzen sollte. Die Reise verlief stürmisch; zweimal wurde das Schiff zurück an die englische Küste getrieben, wo sie fast entdeckt wurden, doch schließlich gelang die Überfahrt. Gardiner muss sehr wütend gewesen sein, als ihm bewusst wurde, dass die Herzogin und ihr Mann ihn überlistet hatten und ihre Flucht gelungen war.

Gardiner war wütend, dass er überlistet worden war.

Zunächst ließen sich Katharina und ihr Mann in der Ortschaft Santon nieder, doch sie wollten ins nahegelegene Wesel weiterreisen, wo viele Flüchtlinge freundlich aufgenommen wurden. Über den Pastor von Wesel, Francis Perusell, beantragten sie eine Aufenthaltserlaubnis für Wesel, aber noch bevor alles geregelt war, erfuhr der Stadtrat von Santon, dass sie nicht die einfachen Leute waren, für die sie sich ausgaben, und wollte schnellstens erfahren, welche religiöse Überzeugung sie vertraten. Kaum angekommen, mussten die Berties deshalb schon wieder flüchten.

Die Flucht sollte möglichst unauffällig geschehen, und da Wesel nur wenige Kilometer entfernt lag, begaben sie sich einfach nachmittags auf einen „Spaziergang“ mit ihrem Kind, zwei Dienern und dem Kindermädchen und wanderten zu Fuß nach Wesel. Gegen Abend begann es zu regnen. Die Straßen waren bald völlig aufgeweicht und schlammig. Bertie beauftragte die zwei Diener, vorauszugehen und einen Wagen oder eine Kutsche zu besorgen. Kurz darauf wurden sie von Straßenräubern angegriffen. Das Kindermädchen ließ erschrocken das Kind fallen und rannte schreiend in den Wald, Katharina und ihr Mann wurden geschlagen und ausgeraubt. Als die Räuber wieder verschwunden waren, begann es zu allem Überfluss noch zu hageln, und das Baby schrie herzzerreißend. Weit und breit waren weder Diener noch Wagen zu sehen.

Spät abends kamen sie endlich erschöpft in Wesel an. Da sie keine Adresse von Perusell hatten, versuchten sie in einer Herberge unterzukommen, doch zu so später Stunde blieben ihnen alle Türen verschlossen. Da sie beide weder Deutsch noch Holländisch sprachen, konnten sie sich kaum verständlich machen. Katharina war so erschöpft, dass sie schließlich weinend im Torbogen einer Kirche Schutz vor Kälte und Regen suchte, während Bertie etwas Feuerholz besorgen wollte, damit sie sich ein wenig aufwärmen konnten. Plötzlich traf er auf zwei Jungen, die sich in Lateinisch unterhielten – in dieser Sprache konnte er sich verständigen. Sie brachten ihn zum Haus eines Freundes von Perusell, und die Vorsehung wollte es, dass Perusell selbst gerade dort zu Besuch war. Bertie und Katharina wurden warm willkommen geheißen und so gut versorgt, dass sie sich schnell von den Strapazen ihrer Flucht aus Santon erholten.

Bald hatten sie sich in Wesel eingelebt, und Katharina brachte 1555 noch einen Sohn zur Welt, den sie Peregrine nannte – „Wanderer“. Nur wenige Tage später wurde Katharinas Freund Hugh Latimer in England als Ketzer verbrannt. Einen Monat darauf starb Gardiner. Doch Feinde hatte sie noch immer. Als sie eine Warnung erhielt, dass ein Berater der Königin Maria sowie der Herzog von Braunschweig nach Wesel unterwegs waren, um sie zu verhaften, wurde ihr bewusst, dass sie erneut fliehen mussten. Sie reisten zum protestantischen Pfalzgrafen Ottheinrich, der ihnen Unterkunft im Schloss von Windsheim bot, wo sie bis 1557 blieben. Langsam, aber sicher ging ihnen das Geld aus, und ein Einkommen hatten sie nicht. Die Situation schien verzweifelt. Völlig unerwartet erhielten sie ein großzügiges Angebot vom polnischen König Sigismund über ihren Freund Johannes a Lasco. Er hatte Sigismund von ihrem Schicksal erzählt, und der König bot ihnen an, bei ihm am Hof zu leben. Dankbar machten sie sich auf die Reise nach Polen.

Wütend stießen die Männer ihre Lanzen in den Wagen mit den Kindern und Dienerinnen.

Unweit von Frankfurt wartete das nächste Abenteuer auf sie: Ein vorbeireitender Hauptmann mit seiner Truppe ärgerte sich derartig über den Hund der Berties, dass er die Reisenden angriff. Wütend stießen seine Männer ihre Lanzen in den Wagen mit den Kindern und Dienerinnen, worauf Bertie und seine Knechte die Gruppe verteidigten. Im entstehenden Gefecht wurde das Pferd des Hauptmanns getötet. In Windeseile verbreitete sich das Gerücht, Bertie habe den Hauptmann selbst getötet, und als er im nächsten Dorf Hilfe holen wollte, wartete schon ein Gruppe rachsüchtiger Dorfbewohner auf ihn, angeführt vom Bruder des Hauptmanns. Bertie entkam nur knapp dem Tod, indem er über eine Leiter auf einen Dachboden stieg und sich von dort aus verteidigte. Als schließlich der Bürgermeister dazukam, ließ Bertie sich verhaften. Am nächsten Tag wurde das Missverständnis geklärt und Bertie freigelassen.

Als sie endlich in Polen ankamen, erwartete sie ein warmherziger Empfang von König Sigismund. Um der Familie wieder ein Einkommen zu sichern, wurde Bertie für seine Zeit in Polen ein Regierungsbezirk übertragen.

Als im Jahr 1558 Königin Maria starb und stattdessen die protestantische Elisabeth Englands Thron bestieg, kehrten Katharina und Richard Bertie mit ihrer Familie endlich in die Heimat zurück. Dort nahmen sie ihre Ländereien wieder in Besitz, und der kleine Peregrine wurde offiziell eingebürgert.

Am 19. September 1580 starb Katharina im Alter von 61 Jahren. Ihr Mann Richard Bertie starb nur zwei Jahre später. Augustine Bernher, ein Diener von Hugh Latimer, beschrieb Katharina als eine Stütze der Prediger, einen Trost für Märtyrer und ein Instrument Gottes zur Verbreitung des Evangeliums.

Heb 11,13 LUT … Sie haben bekannt, dass sie Gäste und Fremdlinge auf Erden sind …
16 Nun aber streben sie zu einem besseren Land, nämlich dem himmlischen. Darum schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott zu heißen; denn er hat ihnen eine Stadt gebaut.

Geschichte
Reformation – auf einen Blick